Herr Gander, Sie forschen im Bereich Persönlichkeitspsychologie. Verraten Sie uns Ihren prägenden Charakterzug? Neugierde. Das kommt mir bei meiner Arbeit als Wissenschaftler zugute.
Gibt es besonders beliebte Eigenschaften? Bei der Partnerwahl wird häufig nach Ehrlichkeit, Humor, Bindungsfähigkeit, Freundlichkeit, Optimismus und Dankbarkeit gesucht. Weniger zentral hingegen scheinen beispielsweise Spiritualität, Ausdauer, Führungsvermögen und Liebe zum Lernen.
Welche Rolle spielt die Persönlichkeitsentwicklung für den beruflichen Erfolg? Personen, die ihre persönlichen Stärken im Berufsalltag einfliessen lassen können, sind zufriedener und sehen ihre Arbeit eher als Berufung an. Bei Vorgesetzten sind Ausdauer, Teamwork, Ehrlichkeit und Selbstregulation besonders beliebt.
Teamfähigkeit erfordert Toleranz, Anpassungsfähigkeit und Geduld. Was noch? Ob diese Aspekte dadurch gefördert werden, lässt sich nicht sagen. Aus der Forschung wissen wir jedoch, dass sich Personen mit höherer Teamfähigkeit selbst als fairer, freundlicher und vergebungsbereiter einschätzen. Auch schreiben sie sich ein grösseres Führungsvermögen und mehr Bindungsfähigkeit zu.
Ehrgeiz und Zielstrebigkeit verbindet man eher mit Einzelkämpfern als mit Teamplayern. Zu Recht? Teamfähigkeit hat kaum etwas mit Ehrgeiz und Zielstrebigkeit zu tun. Das sind voneinander unabhängige Eigenschaften. Man kann also sowohl sehr teamfähig und überhaupt nicht ehrgeizig sein, als auch sehr teamfähig und sehr ehrgeizig.
Sind Einzelkämpfer nicht tatsächlich konzentrierter, schneller und effizienter? Das dürfte sehr stark von der jeweiligen Aufgabe abhängen. Die Forschung zeigt jedoch, dass die Leistung von teamfähigeren Personen besser bewertet wird.
Augenfarbe, Körperbau und andere Eigenschaften sind in unseren Genen angelegt. Woher kommen unsere Charaktereigenschaften? Es ist belegt, dass bei allen psychologischen Eigenschaften eine gewisse genetische Komponente eine Rolle spielt. So sind die eineiiger Zwillinge ähnlicher als jene von zweieiigen. Doch auch unsere individuellen Erfarungen, die wir im Laufe eines Lebens machen, gestalten unsere Persönlichkeit und den Charakter mit.
Kann man sich Eigenschaften antrainieren? Das ist eine noch weitgehend ungelöste Frage. Wir gehen jedoch davon aus, weshalb wir auch ein Online-Trainingsprogramm entwickelt haben, das im Moment wissenschaftlich evaluiert wird (staerkentraining.ch).
Fabian Gander ist Post-Doc und Oberassistent an der Professur für Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik der Universität Zürich.
Ist die Persönlichkeitsentwicklung irgendwann abgeschlossen oder gilt auch hier lebenslanges Lernen? Wir gehen davon aus, dass man sich auch im hohen Alter noch weiterentwickeln kann. Wir konnten beispielsweise zeigen, dass Interventionen zum Training der Lebenszufriedenheit auch bei älteren Teilnehmenden noch genauso gut funktionieren. Interessanterweise führen ältere Teilnehmende die Trainingsübungen in der Regel gewissenhafter und ausdauernder aus.
Heisst das, wir können jederzeit schlechte Eigenschaften ablegen und uns gute aneignen? Dazu gibt es noch relativ wenig Forschung. Die ersten Resultate stimmen jedoch optimistisch. Beispielsweise konnte gezeigt werden, dass (erwünschte) Persönlichkeitsveränderungen im Verlauf einer Psychotherapie auftreten können. Vermutlich ist es bei den Charakterstärken wie beim Sport: Es braucht konstantes, gezieltes Training, will man ans Ziel kommen.
Das Gespräch führte Anina RETHER
Redaktorin WIR KAUFLEUTE